Am Fuße des Mont Blancs liegt die heimliche Hauptstadt des Bergsports: Chamonix. Wie ich Anfang Juni in nur drei Tagen das kleine Städtchen kennen und lieben lernte, gemeinsam mit Millet Mountain eine Tour über den eindrucksvollen Mer de Glace Gletscher machte und mich im Eisklettern versuchte.
Mer de Glace
Mer de Glace bedeutet nichts anderes als „Eismeer“ und macht seinem Namen alle Ehre. Der Gletscher in der Mont-Blanc-Gruppe ist einer der größten Gletscher der Alpen. Mit der roten Zahnradbahn ist er von Chamonix aus in rund 20 Minuten zu erreichen. Kein Wunder also, dass die Eislandschaft zu den beliebtesten Touristenzielen in der Umgebung zählt.
Über Leitern in die Tiefe
Von der Endstation der Zahnradbahn führt zuerst ein breiter Weg bis zu einer Felskante. Danach folgen ewig lange Leitern in die Tiefe. Hier hat Höhenangst keinen Platz. Unten angekommen geht es zuerst über Geröll und Felsen bis zu den ersten Ausläufern des Gletschers. Kleine Wasseransammlungen lassen das Eis schon am Anfang rutschig werden, ansonsten sorgen die Steine in der Fläche für einen guten Grip. Ein paar Meter weiter sind dann doch Steigeisen empfehlenswert.
Auf die Technik kommt es an
Die ersten paar Schritte mit den angelegten Steigeisen sind mühsam und ungewohnt. Dann wird es einfacher. Zumindest so lange, bis eine Schräglage kommt, die es zu überwinden gilt. Den Pickel zum Abstützen in der linken Hand und mit voller Konzentration auf den Einsatz der Füße bewege ich mich vorwärts: Linker Fuß parallel zum Hang, rechter Fuß senkrecht. Linker Fuß parallel, rechter Fuß senkrecht …
„Stell dir vor, du magst jemanden nicht“
Ein paar Meter und drei Knoten in den Beinen später, erreichen wir eine Steigung. Dazu immer schön die Frontzacken ins Eis hauen. Der Muskelkater in den Beinen ist hiermit schon mal vorprogrammiert. Als es schließlich noch steiler wird, kommt der Eispickel in der Hand zum Einsatz. „Nicht so sachte! Stell dir vor, du magst jemanden nicht. Und jetzt hau diesen Pickel in das Eis. Genau so!“. Hervorragend, das Ding steckt drin. Bombenfest. Perfekt zum dran hochziehen. Weniger perfekt, um ihn anschließend wieder aus dem Eis zu lösen.
Glühende Oberschenkel beim Abstieg
Eine Pause ist nicht drin. Wo eine Steigung ist, ist auch wieder ein Abstieg. Wie beim Skifahren in der Abfahrtshocke, den Schwerpunkt nach hinten verlagert, geht es Schritt für Schritt den Hang hinunter bis zu einem Bach. Den gilt es über einen großen Felsen zu queren. Die spitzen Steigeisen klirren in Berührung mit dem harten Stein und machen das Laufen zur ungewohnten Bewegung. Einen Sprung und eine Landung auf der vertrauten Eisfläche später stehen wir vor einem eisigen Abgrund.
Eisklettern am Mer de Glace
Als der erfahrene Bergführer der Compagnie des Guides de Chamonix mir die Eisgeräte in die Hand drückt, erklärt er mir im Schnelldurchlauf, was ich zu tun habe: „Immer schön aus dem Handgelenk arbeiten. Du brauchst nicht viel Kraft aufwenden. Die Frontzacken der Steigeisen immer frontal in die Eiswand rammen.Wie beim Klettern. Vertrau mir.“ Den Einwand, dass ich noch nie klettern war, ignoriert er: „Das schaffst du trotzdem.“
Gefangen in der Eiswand
Die ersten zwei Züge sind ungewohnt. Einatmen, ausatmen, linke Hand, rechte Hand, linkes Bein, rechtes Bein. So weit, so gut. Gerade als ich mich mit der Situation anfreunde, verfängt sich das linke Steigeisen im rechten Hosenbein und ich bin gefangen. Konzentriert befreie ich das Bein aus seiner misslichen Lage und kann meinen Weg nach oben dann tatsächlich ohne Hilfe fortsetzen. Oben angekommen bin ich erschöpft, aber glücklich.
Palast aus Eis und Schnee
Doch noch ist die Tour nicht zu Ende. Bevor es wieder zur Bahn geht, um zurück ins französische Chamonix zu fahren, wird noch ein Abstecher in eine ausgeleuchtete Eishöhle gemacht. Der Palast aus spiegelglatten Wänden erstrahlt in einem hellen Blauton. Rechts und links werden die grottenartigen Wände angeleuchtet. Teilweise sind Möbelstücke in die Höhlen gehauen. Es ist ein Kunstwerk, wie es schöner nicht sein könnte. Doch das wissen nicht nur wir, sondern auch die Massen an Touristen zu schätzen.