2/101: Anstrengende Skitour zum Großglockner

Ich atme schwer. Setze einen Schritt vor den anderen. Spüre die Anstrengung und bin froh, dass ich mein Ziel bereits sehen kann. Nur noch wenige Meter trennen mich vom Gipfel. Ich arbeite mich durch den Schnee weiter nach oben und konzentriere mich auf meine Bewegungen. Aber gleich bin ich da. Gleich stehe ich am höchsten Berg Österreichs. Und das im Winter.

Frühstück um 3:00 Uhr nachts

Um 3:00 Uhr klingelt der Wecker. Müde bin ich nicht. Mit dem ersten Augenaufschlag macht sich auch die Aufregung breit. Der Rucksack steht bereits fertig bepackt in der Ecke. Also bleibt noch Zeit für eine Tasse Kaffee bevor ich wenig später abmarschbereit am Parkplatz vor dem Lucknerhaus stehe. Die kalte Nachtluft steht im Kontrast zu den weißen Rauchwölckchen, die ich beim Ausatmen im Schein der Stirnlampe gen Sternenhimmel steigen lasse. So früh bin ich schon lange nicht mehr losgegangen.

Schritt für Schritt durch die Dunkelheit

Der Schnee ist gefroren. Die Ski unter meinen Füßen machen bei jedem Schritt ein knirschendes Geräusch. Und mit jedem Meter lasse ich auch ein Stück meiner Aufregung zurück. Es ist so finster, dass ich weder Entfernungen noch Geschwindigkeit einschätzen kann. So komme ich in einen entspannungsähnlichen Zustand, setze einen Schritt vor den anderen und bin bei Sonnenaufgang umso überraschter, dass die ersten 1.000 Höhenmeter schon hinter mir liegen.

Wir sind nicht allein

Mit dem Tageslicht tauchen auch die ersten anderen Bergsteiger auf. Bisher waren wir alleine unterwegs und haben auch keine anderen Stirnlampen in der Dunkelheit tanzen sehen. Jetzt treffen wir auf all jene, die auf der Stüdlhütte übernachtet haben. Viele sind es trotzdem nicht. Drei weitere Seilschaften steigen mit uns die letzten Spitzkehren zum Skidepot unterhalb der Adlersruhe auf. Jetzt ist es steiler. Und eisig. Ich bin dankbar um die Harscheisen unter den Brettern. Wenig später verabschiede ich mich unterhalb der Adlersruhe von meinen Skiern. Bis zur Abfahrt werde ich sie wohl nicht mehr benötigen. Es geht zu Fuß weiter in Richtung Gipfel.

Nächster Halt: Bahnhof!

Auf den letzten 400 Höhenmetern sorgen die Steigeisen unter den Skischuhen für Halt auf dem Fels. Wir seilen uns zusätzlich an. Denn jetzt kommt der anspruchsvolle Part. Jetzt kommt der Part, bei dem ich mir nicht ganz sicher bin, ob ich ihm gewachsen bin. Wir schlagen den Weg Richtung Bahnhof ein. Warum das so heißt, will ich vom Bergführer wissen. Weil bis dorthin ehemals der Gletscher ging. Bis dorthin konnte man mit Skitourenski aufsteigen. Und dann haben Bergführer die Skitourengeher am Bahnhof abgeholt und sind nur die letzten Meter mit aufgestiegen. Das ist noch gar nicht so lange her. Wir mussten unsere Bretter fast 200 Höhenmeter weiter unten liegen lassen.

Es wird mühsam

Durch das Eisleittl geht es weiter hinauf. Es sei die schneetechnische Schlüsselstelle. Ich lasse den Blick langsam nach oben wandern. Vor mir breitet sich eine steile Eisflanke aus. Über mir nehmen andere Bergsteiger die Hände und den Pickel zur Hilfe, um nicht abzurutschen. Immerhin sind bereits Spuren getreten, denen ich nur folgen muss. Die sind allerdings sehr hoch für mich. So stemme ich Stufe für Stufe mein komplettes Gewicht nach oben und merke, wie es von mal zu mal anstrengender wird. Puh. Das ist hart. Ein Stück noch. Und noch eins. Und noch eins. Dann wird es flacher. Und ich stehe plötzlich auf dem schmalen Schneegrat des Kleinglockners. Wahnsinn. Rechts und links von mir geht es steil bergab. Krass. Das fordert schon ein bisschen Mut.

Die Sache mit dem Kopf

Ich gehe vorsichtig den Grat entlang. Bleibe stehen, lasse den Blick schweifen. Die Aussicht ist beeindruckend. So stehe ich da und staune. Dann setze ich wiederum einen Fuß vor den anderen und konzentriere mich. Noch bin ich nicht oben. Jetzt geht es erst noch einmal ein paar Meter bergab in die Glocknerscharte hinein und dann mit etwas Kletterei nach oben. Uiuiui. Ich werde langsamer, halte mich fest und muss mich bei jedem Schritt vergewissern, dass es hält. Sobald es zu steil wird, habe ich manchmal Probleme mit meinem Kopf. Dann kommt die Höhenangst. Es fordert mich. Aber es macht auch Spaß, die eigenen Grenzen zu verrücken und wieder ein bisschen über sich hinauszuwachsen.

Honigkuchenpferd am Gipfel

Und so breitet sich ein riesengroßes Grinsen in meinem Gesicht aus, als ich schließlich am höchsten Punkt stehe. Direkt unter dem Gipfelkreuz. Ich reiße die Arme in die Höhe. Glücksgefühle durchströmen den Körper, lassen die Anstrengung der 1.900 Höhenmeter vergessen. Ich bin völlig bei mir. Völlig im Moment. Das ist das Gefühl, das ich so liebe. Dieses Gefühl im Jetzt zu leben. Alles andere ist plötzlich irrelevant. Da bin ich: Frei und lebendig.

Und das beste: Ich muss nicht runterlaufen

Den Abstieg muss ich trotzdem noch meistern. Und zwar über den Weg, den ich auch hochgegangen bin. Das bedeutet, die Glücksgefühle müssen kurz pausieren. Ich muss mich noch mal konzentrieren. Sobald ich aber bei den Skiern bin und die Steigeisen wieder in den Rucksack packe, ist es nicht mehr weit. Das ist das gute am Skitourengehen: Ich kann runter fahren, statt runterzulaufen. Der Schnee ist zwar nicht ganz so optimal, aber es geht trotzdem deutlich schneller. Das ist gut so, denn ich merke die Anstrengung des Tages. Es wird Zeit für die Erholung und eine energiespendende Mahlzeit. Die hab ich mir heute auch wirklich verdient!

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